Neues aus der Welt der Literatur

Die Bücherwelt ist immer für Überraschungen gut. Der Spätherbst brachte viel Neues, viel besonders Gelobtes, viel Spektakuläres. Aber natürlich hat man seine eigenen Vorlieben, seine Lieblingsthemen und seine Lieblingsautoren. Eines dieser Thermen ist für mich immer die Literaturgeschichte. und ein neuer Titel hatte es mir im Herbst besonders angetan – „Heimreisen“ von Golo Maurer.

Goethes „Italienische Reise“ ist ein Schlüsselwerk der Weimarer Klassik – Flucht aus der Midlifecrisis, Flucht vor seiner Anbeterin Charlotte von Stein, Aufbruch in die Welt, Bildungsreise in die Antike, Suche nach sich selbst. Sie ist aber auch der Beginn einer bürgerlichen Tradition. Goethes Bericht fußt natürlich auf der vorausgegangenen Reise seines Vaters, der seine Italienreise auf Italienisch geschrieben hat, und nährt dann die Rom- und Italienbegeisterung unter deutschen und europäischen Intellektuellen, die bis heute anhält. Goethes Weg nach Italien war auch ein Weg zu einer neuen Art und Weise der Literatur, zu einem anderen Schreiben, das für ihn der Weg aus dem Sturm und Drang in die Klassik war und zu einer Selbsterfahrung, wie sie dann in der Folge der Grand Tour auch noch viele andere Intellektuelle, Künstler und Musiker auf seinen Spuren weiter erlebten. Richard Wagner im späten 19. Jahrhundert, Thomas und Heinrich Mann, Walter Benjamin, Sigmund Freud – Goethe war ihnen immer ein Vorbild. Es ging für ihn ein neues Leben auf, eine neue Art und Weise der Weltbetrachtung und auch eine Heimreise. So der Titel des Buches, das glänzend erzählt ist, das uns mit Goethes Wegebegleitern in Italien bekannt macht, das uns Goethes Weltsicht zeigt und das uns auch zeigt, wie wir auch heute noch von dieser Italienreise profitieren. Ein großartiges Buch, das von intimer Kenntnis der Goetheschen Literatur geprägt ist und das uns viele neue Blickpunkte nicht nur auf Goethe, sondern auch auf die Italiensehnsucht der Deutschen und die Italiensehnsucht bis in unsere Zeit werfen lässt. Und es bleibt ja nicht nur bei der Untersuchung über Goethes „therapeutische Reise “ nach Italien, sondern zeigt auch auf, wie in seiner Nachfolge ganze Generationen das Phänomen Italien für sich verstanden und umgesetzt haben. Es führt uns weiter über etwa über Gustav Nicolai und seine Gegenentwurf „Italien, wie es wirklich ist“ von 1834 , über Ernst Robert Curtius bis hin zu Walter Benjamin, Hans Werner Henze, Ingeborg Bachmann oder Rolf Dieter Brinkmann.

Ich habe kaum ein so vergnügliches und gleichzeitig auch so informatives Buch über Goethe gelesen, von dem man meinte, doch alles schon zu kennen. Oh nein! Hier lernt man vieles Neue kennen, und es vergnügt, amüsiert, belehrt und begeistert.

Golo Maurer: Heimreisen. Goethe, Italien und die Sehnsucht der Deutschen nach sich selbst. Rowohlt Verlag Hamburg. € 28.

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